Kapelle St. Josef in Kau

Während der Ursprung aller größeren Kapellen in Tettnang auf das gräfliche Haus von Montfort zurückzuführen ist, kann man bei St. Josef in Kau von einer wahren Volkskapelle sprechen. Nicht nur die Initiative zur Errichtung des Gotteshauses ging von den Bürgern aus, auch die Finanzierung von Bau und Instandsetzungsarbeiten sowie die Kosten der Einrichtungen wurden zum großen Teil von der Bevölkerung getragen. Die St.-Josefs-Kapelle ist damit ein gutes Bespiel für eine lebendige christliche Dorfgemeinschaft. 

Baugeschichte 

In Kau stand früher ein Feldkreuz an der Straße, vor dem im Sommer jeweils von Kreuzauffindung (3. Mai) bis Kreuzerhöhung (14. September) an Sonn- und Feiertagen um 17 Uhr der Rosenkranz gebetet wurde. Wer auf einer der beiden Kniebänke auf der gegenüberliegenden Seite der Straße keinen Platz fand, stand auf der Straße oder in der Wiese. Der Überlieferung nach soll diese regelmäßige Andacht auf ein Versprechen zurückzuführen sein, das bei einer Viehseuche gemacht wurde. Aufgrund der Störungen durch den zunehmenden Verkehr und um vom Wetter unabhängig zu sein, entstand bei den Gläubigen in Kau der Wunsch nach einer eigenen Kapelle. 

Zwei im Jahre 1902 abgehaltene Versammlungen der Kauer Bürger zum Thema Kapellenbau führten zu einer Anfrage beim Tettnanger Stadtbaumeister Weinmann. Seine Berechnung ergab, dass eine Kapelle nach den Vorstellungen der Bürger etwa 4.000 Mark kosten würde, wobei sich Weinmann anbot, die Pläne hierfür kostenlos zu erstellen. Die Bauart orientierte sich dabei an der im Jahr 1865 geweihten Kapelle in Dillmannshof. Die beiden Hauptinitiatoren Johann Marschall und Konrad Elbs sammelten für den Kapellenbau und konnten im Dezember 1902 eine Summe von 3.197 Mark vorweisen. Bei einer weiteren Bürgerversammlung im „Goldenen Kreuz“ wurde der Bau der Kapelle beschlossen. 15 Kauer Familien unterzeichneten eine Bürgschaft. 

Der Kirchenstiftungsrat in Tettnang beschloss, dass in Kau ein eigener Filialkirchenstiftungsrat eingesetzt wird, in dessen Eigentum die Kapelle übergehen sollte. Die Spendenbereitschaft der Bürger war überaus groß: Bauplatz, Bauholz, Kies, Kalk, Glocken und Einrichtungsgegenstände wurden finanziert, Bau-, Schmiede- und Schreinerarbeiten geleistet, sowie nach der Fertigstellung Gemälde, Heiligenfiguren und Messgewänder gestiftet. 

Am 15. Juli 1903 erfolgte die Grundsteinlegung und am Fronleichnamstag 1904 konnte erstmals in der neuen Kapelle der Rosenkranz gebetet werden. Am 10. Juli 1904 wurden vom Tettnanger Stadtpfarrer Urnauer die zwei neuen Glocken geweiht. Er nahm am 14. September 1904 die Einweihung der Kapelle vor. Insgesamt hatte der Neubau 6.514,95 Mark gekostet. Im Jahre 1905 wurde ein Kreuzweg gestiftet und ein Harmonium gekauft. Bei der ersten großen Renovierung 1929 erhielt die Kapelle das Deckengemälde mit dem Hl. Josef. Am 16. März 1944 schlug nur zehn Meter neben der Kapelle eine Bombe ein und beschädigte das Gotteshaus. 

Nach dem 2. Weltkrieg musste die Kapelle, auch wegen der Schäden durch den Bombeneinschlag, instandgesetzt werden. 1952 konnte ein neues, größeres Harmonium erworben werden. Zum 50. Jubiläum im Jahre 1954 folgte eine weitere Restaurierung. Der Turm wurde neu gestrichen, Zifferblatt und Turmkreuz vergoldet. Über dem Eingang erhielt die Kapelle ein Vordach in der Form eines hohen Satteldaches. 

Eine grundlegende Instandsetzung und Renovierung vor allem im Innern der Kapelle erfolgte in den Jahren 1965/66. Der alte Holzaltar wurde entfernt, ein neuer Altartisch beschafft. Das große Kreuz, das bisher an der Südwand hing, erhielt einen neuen Platz im Chor. Die Empore wurde erweitert, das Satteldach über dem Eingang durch das heutige flache Walmdach ersetzt. Die politische Gemeinde Kehlen, zu der Kau seinerzeit gehörte, stiftete für 3.000 DM eine Madonnenfigur. Etwa 20.000 DM mussten für die Instandsetzungsarbeiten aufgebracht werden. Am 19. März 1966, dem Josefstag, wurde die Kapelle nach der Renovierung mit einem Festgottesdienst ihrer Bestimmung übergeben.  

Das Sichtziegel-Mauerwerk war im Laufe der Jahre derart verwittert, dass die Kapelle 1969 außen verputzt werden musste. In den Jahren 1979, 1985 und 1995 wurden weitere Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Dabei erhielt die Uhr 1979 ein elektrisches Läutwerk und ein neues Ziffernblatt. Im Jahre 2000 bekam die Kapelle eine neue Orgel. 

Baubeschreibung 

Die St.-Josefs-Kapelle hat ein rechteckiges Langhaus mit einem eingezogenen, dreiseitig schließenden Chor. Im südlichen Winkel zwischen Langhaus und Chor ist die Sakristei mit rechteckigem Grundriss angebaut. Das Langhaus hat ein Satteldach, Chor und Sakristei haben Walmdächer. Die Fenster – jeweils zwei an den Längsseiten des Schiffes und eins an der linken Seite im Chor – sind mit Spitzbögen ausgeführt. Eingangstür und Sakristeifenster sind rechteckig. Charakteristisch für die St.-Josefs-Kapelle sind außen die umlaufenden Flachsimse am Sockel und am Dach, die an den Längswänden jeweils in der Mitte und außen durch Lisenen verbunden sind. Auch die Giebelwand hat eine gleichartige umlaufende Profilleiste. Der Eingang ist geschützt durch ein sehr flaches Walmdach, das von zwei runden Trägern gestützt wird. Im Giebelfirst befindet sich ein rundes Fenster. Auf dem Dach sitzt zur Giebelwand hin ein quadratisches Türmchen mit eingewinkeltem Spitzhelm, einem Zifferblatt zur Giebelseite hin und allseitigen Schallöffnungen.  

Langhaus und Chor sind durch einen spitzen Chorbogen getrennt. Die Wände in Schiff und Chor schließen oben jeweils mit einer umlaufenden Profilleiste ab und gehen mit Hohlkehlen in die Flachdecken über. Der Chor liegt gegenüber dem Langhaus um zwei Stufen höher. Innerhalb einer Spitzbogennische führt eine Rechtecktür durch die rechte Chorwand in die Sakristei. Die Empore mit der hölzernen Brüstung wird über frei aufgehängte Treppen, die einen Viertelkreis beschreiben, erreicht. 

Ausstattung 

Nach den liturgischen Maßgaben des Zweiten Vatikanischen Konzil 1962/65 war die St.-Josefs-Kapelle in Kau das erste Gotteshaus in Tettnang, das 1965 einen sogenannten Zelebrationsaltar erhielt. Der Altar ist eine Arbeit der Firma Friesinger & Metzger in Kressbronn. Gleichzeitig wurde der gesamte Chorraum der Kapelle umgestaltet. Der alte Holzaltar fiel dem Umbau zum Opfer. 

Der Korpus des großen Kruzifixes an der Stirnseite im Chor stammt nach der Überlieferung von dem alten Dorfkreuz, das vor dem Kapellenbau schon die Gläubigen zur Andacht eingeladen hatte. Bei der ersten großen Renovierung 1929 erhielt der Korpus das heutige Kleeblattkreuz. Links vom Kreuz wurde der Tabernakel, und rechts ein Podest für die Heilige Schrift angebracht. Die Statue des Hl. Josef an der linken Stirnseite des Langhauses stiftete Pfarrer Wilhelm Zieher aus Tettnang im Jahre 1965. Im gleichen Jahr erwarb die Kirchenpflege die Madonnen-Statue auf der rechten Seite. 

An der Decke des Langhauses befindet sich innerhalb eines ovalen Rahmenwerkes ein Josefsbild, das der Maler Baier aus Oberzell 1929 geschaffen hat. Es zeigt den Heiligen mit dem Jesuskind auf dem linken Arm und einer Lilie in der rechten Hand, begleitet von drei Engeln. Darunter ist eine natürliche Ansicht vom ländlichen Kau mit der Kapelle dargestellt. Seit 1970 erinnern die steinernen Gedenktafeln von Gabriel Hirscher aus Neukirch rechts unter der Empore an die gefallenen und vermissten Kauer Bürger beider Weltkriege. Der Männerchor Kau, der sich in besonderer Weise für die Pflege und Erhaltung der St.-Josefs-Kapelle einsetzt, stiftete im Jahr 2000 eine neue elektronische Alborn-Orgel mit 30 Registern. Die Kapelle besitzt zwei Glocken, beide aus der Glockengießerei Anton & Karl Zoller in Biberach. Die 60 kg schwere G-Glocke stiftete Johannes Elbs aus Kau. Die halb so schwere H-Glocke ist eine Stiftung des Tettnanger Bürgers Josef Trautmann. 

Gisbert Hoffmann

Literatur

Frick, Dr. Alex: Pfarrei St. Gallus Tettnang, Kleiner  Kunstführer Nr. 1335, 1. Auflage, Schnell + Steiner, München/Zürich 1982. 

Hoffmann, Gisbert: Kapellen in Tettnang und Meckenbeuren, Heimat-Zeichen 5, Förderkreis Heimatkunde Tettnang (Hg.), Tettnang 2004.

Hinweis

Der Kunstführer „Die Kapellen der katholischen Pfarrgemeinde St. Gallus, Tettnang“, dem dieser Text entnommen wurde, ist im Pfarrbüro, in der Pfarrkirche und in den Kapellen der Pfarrgemeinde zum Preis von € 5,00 erhältlich.

Deckenbild des Oberzeller Malers Maier aus dem Jahr 1929: Der hl. Josef mit Jesuskind und Lilie über der Ortsansicht von Kau