Kapelle St. Johann

St. Johann in Tettnang war schon immer ein Synonym für karitative Aufgaben, christliche Nächstenliebe und für die Pflege von armen, kranken und älteren Menschen. Seit 1729 befand sich das Spital zum Heiligen Geist im Kaplaneihaus neben der Kapelle. Heute stehen die ‚Häuser der Pflege St. Johann‘ und ‚Dr. Albert Moll‘ sowie die ‚Lebensräume für Jung und Alt‘ in direkter Nachbarschaft.  

Baugeschichte 

St. Johann markiert die Stelle, an der die älteste Kapelle in Tettnang nachgewiesen werden kann. Vielleicht wurde diese während oder kurz nach der großen Pest von 1348 errichtet, als die zahlreichen Toten im Gottesacker weit außerhalb der damaligen Stadt ihre letzte Ruhe fanden. Erstmals wird diese Kapelle urkundlich im Jahre 1364 erwähnt: Graf Heinrich III. von Montfort (†1408) und die Bürgerschaft von Tettnang stifteten hier eine Kaplaneipfründe, die über 500 Jahre bestand. 

Anfang des 17. Jahrhunderts befand sich die Kapelle in einem erbarmungswürdigen Zustand. 

Nachdem Gräfin Euphrosina von Montfort, geb. von Waldburg-Wolfegg ihrem Gemahl Hugo XVIII. (†1662) zwar schon mehrere Töchter, aber noch keinen Erbfolger geboren hatte, gelobte der Graf, die verfallene Kapelle wieder neu zu erbauen, wenn sich ein Stammhalter einstellen würde. Als der lang ersehnte Sohn am 25. November 1627 geboren war – er wurde auf den Namen Johann getauft –, löste Graf Hugo sein Gelübde ein. Doch die Kapelle entstand in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges. Kurz nach ihrer Erbauung kam es zur Zerstörung der neuen Kapelle. Nach dem Krieg ließ Hugo von einem unbekannten Vorarlberger Baumeister nochmals ein neues, das heutige Gotteshaus auf den Grundmauern des alten errichten. Gleichzeitig erhielt der Friedhof eine Umfassungsmauer. Der Konstanzer Bischof Johann von Altsummerau weihte die Kapelle am 12. Oktober 1659 zu Ehren des Hl. Johannes des Täufers ein.  

Für das Jahr 1727 ist erstmals eine Renovierung der Kapelle nachgewiesen. Als Kaplan Adolf Aich 1859 die Kaplanei St. Johann übernahm, fand er wieder eine verwahrloste Kapelle vor. Auf Bettelfahrten, die ihn in alle süddeutschen Diözesen und in die Schweiz führten, brachte er für die Renovierung etwa 1.800 Gulden zusammen. Das reichte nicht nur für die Sanierung der Kapelle, sondern auch für die Neubeschaffung von Hochaltar und Seitenaltären.  

Im Jahre 1953 wurde die Kapelle außen, 1955/56 innen renoviert. Die Erneuerung der Turmuhr folgte 1964. Zehn Jahre später musste eine umfangreiche Sanierung vorgenommen werden. Dabei wurden das Gebäude trockengelegt, das Vordach über dem Eingang ersetzt, das Giebelgesims angepasst und im Innern Stuck- und Malerarbeiten durchgeführt. In den Jahren 1999/2000 wurde das Turmtragwerk verstärkt. Da sich der Dachstuhl durch Abnutzung, Feuchtigkeit, Pilzbefall und tierische Schädlinge in einem bedenklichen Zustand befand, musste 2007/2008 die bisher letzte umfassende Restaurierung vorgenommen werden. Ergänzende Maßnahmen dabei waren die Sanierungen im Innern und von außen.  

Baubeschreibung 

Die frühbarocke Kapelle St. Johann ist nach Osten ausgerichtet und hat einen kleeblattartigen Grundriss. Sie besteht aus einem rechteckigen einschiffigen Langhaus mit Chor in gleicher Breite, der halbrund schließt. Langhaus und Chor haben ein gemeinsames Satteldach. Das Querschiff ist schmaler und hat ebenfalls halbrunde Abschlüsse. Die Satteldächer des Querschiffs sind niedriger.  

Der Eingang und ein kleiner Turm bestimmen die attraktive Westfassade. Das Rundbogentor wird flankiert von dekorativen Pilastern und durch das kurze Vordach optisch aufgewertet. Wie ein großes Auge wirkt das querovale Fenster zwischen Vordach und dem ziegelgedeckten Sims, der den Giebel abtrennt. Auf dem Sims sitzt ein schmales Rundbogenfenster. Über dem Giebel erhebt sich ein sechsseitiges Türmchen mit Biberschwanz gedecktem Spitzhelm, dessen Vorderkante über die Giebelwand heraus vorgezogen ist. Auf den beiden vorderen Seiten des Turms befindet sich jeweils ein Zifferblatt der Turmuhr.  

Von den acht großen, oben und unten verkröpften Flachbogenfenstern befinden sich je zwei an den Längsseiten des Langhauses, je eines im Querschiffbogen und ein Paar in den kurzen Längswänden des Chors. Der Innenraum hat eine durchgehende Flachdecke, die das Langhaus und den Chor einschließt. Der Chor liegt um eine Stufe gegenüber Langhaus und Querschiff höher. Die Querschiffnischen schließen oben mit einem schönen Hängekuppelgewölbe ab. Die Wände sind durch rundbogige Pfeilerblendarkaden gegliedert. Die hölzerne Empore – von zwei Holzsäulen gestützt – ist im Mittelteil leicht nach vorne geschwungen. Die Kapelle ist außen 25,70 m lang und (ohne Querschiff) 9,10 m breit. 

Ausstattung

Auf dem neoklassizistischen Hochaltar, der 1865 in der Werkstatt des Altarbauers Karl Reihing aus Tettnang entstand, zeigt das Altarblatt die Enthauptung des Hl. Johannes des Täufers, dem Patron der Kapelle. Das Bild wurde von dem gebürtigen Tettnanger Kirchenmaler Fidelis Bentele (1830-1901) gemalt. Der Künstler hat sich vermutlich in dem Bildnis des Johannes selbst dargestellt. Das Altarbild wird flankiert von je zwei Säulen mit zylindrischem Fuß, kanneliertem Schaft und korinthischen Kapitellen. Der Altaraufsatz endet oben mit einem ebenen Podest, auf dem zwei Ziervasen aus Lindenholz stehen. Der Chor wird durch eine schmiedeeiserne Schranke abgeteilt.

Zwei der Ölbilder in der Kapelle stammen von dem oberschwäbischen Barockmaler Andreas Brugger (1737-1812). Sie entstanden um 1785/90 und befanden sich in den Seitenaltären des 1858 abgebrochenen Vorgängerbaus der Pfarrkirche St. Gallus in Tettnang. Das 2,50 m hohe, oben halbrunde Bild an der Westwand des rechten Querschiffs stellt die Pflege des Hl. Sebastian durch Irene, die Witwe des Märtyrers Castulus und ihren Frauen dar. Das zweite Gemälde zeigt Mariä Himmelfahrt, ist 1,80 m hoch und hängt an der Ostwand des linken Querschiffs.

Unter dem Himmelfahrtsbild befindet sich eine Pietà aus dem 19. Jahrhundert und gegenüber ein kleiner Flügelschrein. Dessen Ölbilder stammen aus der Zeit zwischen 1660 und 1680 und stellen auf dem rechten Flügel außen die Gottesmutter und innen den Hl. Josef, auf dem linken Flügel außen den Hl. Antonius von Padua und innen den Hl. Sebastian dar. Die barocke Skulptur im Schrein zeigt den Auferstandenen mit einer Kreuzfahne in der Linken. Diese Figur gehörte wohl immer schon zum Inventar der Kapelle. In der Osterzeit wurde sie auf dem Altar aufgestellt. Aus der Zeit um 1770 stammt die Kreuzigungsgruppe an der Ostwand im rechten Querschiff. Das Kreuz ist 2,26 m hoch, die Figuren Maria und Johannes 1,12 bzw. 1,14 m. Die Gruppe zierte ursprünglich den Hauptaltar, kam bei der Neugestaltung 1866 zunächst an die Nordwand des Langhauses und stand zuletzt auf dem oberen Sockel des jetzigen Altaraufbaus, bevor sie bei der Renovierung 1999/2000 ihren heutigen Platz erhielt.

Die barocken Kreuzwegtafeln aus dem 18. Jahrhundert im hinteren Kapellenteil befanden sich bis 1956 im Kaplaneihaus/Schwesternhaus von Loreto und stammen vermutlich ursprünglich aus der alten St.-Gallus-Kirche. Auf der Empore hängt an der Südwand ein Ölgemälde mit dem Hl. Josef. Ein Holzrelief der Kressbronner Künstlerin Hilde Broër (†1984) mit Christus in der Mitte, dem Hl. Ezechiel (links) und dem Hl. Petrus (rechts) befindet sich unter dem Südfenster im Chor. Die hölzerne Figur des Hl. Wendelin steht in einer Mauernische im Torbogen. Die Grabplatte des Konstanzer Domherren Johann Kröll von Grimmenstein an der Nordseite des Querschiffs entstand nach 1650 und befand sich ursprünglich im Chorraum. Das Geschlecht der Herren Kröll von Grimmenstein stammt aus Feldkirch und war später unter anderem in Lindau, Augsburg und Tettnang beheimatet. Ebenfalls im nördlichen Seitenschiff steht ein Glockenspiel in einem Glasgehäuse, das schon Generationen von Kindern begeistert hat. Nach dem Einwurf einer Münze tritt eine Christkindfigur aus einer Kapelle.

Im Glockenturm befinden sich zwei Glocken. Die größere wurde um 1800 in einer unbekannten Werkstatt gegossen. Sie trägt auf der einen Seite das Bildnis der Gottesmutter, auf der anderen Seite ein Kruzifix, flankiert von zwei Engeln. Als 1964 die Turmuhr erneuert wurde, kam die zweite Glocke in den Turm. Sie befand sich ursprünglich im Turm des früheren Rathauses (ehemalige Sparkasse in der Montfortstraße) und zeigt auf dem Korpus eine Kreuzigungsgruppe mit Maria, Johannes und zwei Engeln, die das Blut Christi auffangen. Eine 1759 von Peter Ernst in Lindau gegossene Glocke, die früher im Turm von St. Johann hing, wurde 1942 konfisziert und eingeschmolzen. Das Nazarenerkreuz an der Außenwand des Chores hing früher in der St.-Anna-Kapelle. Es wurde 1992 gegen das hier befindliche Kruzifix mit dem barocken Korpus aus Witterungsgründen ausgetauscht.

Gisbert Hoffmann

Literatur

Frick, Dr. Alex: Pfarrei St. Gallus Tettnang, Kleiner  Kunstführer Nr. 1335, 1. Auflage, Schnell + Steiner, München/Zürich 1982. 

Hoffmann, Gisbert: Kapellen in Tettnang und Meckenbeuren, Heimat-Zeichen 5, Förderkreis Heimatkunde Tettnang (Hg.), Tettnang 2004.

Hosch, Hubert: Andreas Brugger (1737-1812), Maler von Langenargen, Sigmaringen 1978, S. 185-186.

Hinweis

Der Kunstführer „Die Kapellen der katholischen Pfarrgemeinde St. Gallus, Tettnang“, dem dieser Text entnommen wurde, ist im Pfarrbüro, in der Pfarrkirche und in den Kapellen der Pfarrgemeinde zum Preis von € 5,00 erhältlich.

Pietà aus dem 19. Jahrhundert im linken Querschiff